Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Penguin Verlag, München 2024
Wichtige und erschreckende Aufklärung über die Unterdrückung von Frauen damals und heute!
Auf das Buch Beklaute Frauen von Leonie Schöler bin ich durch Social Media Beiträge aufmerksam geworden. Dass Frauen schon seit jeher benachteiligt wurden, dürfte wohl den meisten bekannt sein, dass sie aber ihres Gedankenguts, ihrer Arbeit und ihrer Erfolge so systematisch beklaut wurden ist schon wirklich erschreckend. Die Autorin erklärt hier anhand einiger Beispiele, wie schwer es für Frauen damals war, eine eigene Existenz aufzubauen, ihrer eigenen Errungenschaften in die Welt hinauszutragen und wie skrupellos sie immer wieder von Männern ausgenutzt und klein gehalten wurden. Eine wichtige Lektüre, die in Auszügen auch unbedingt im Schulunterricht Verwendung finden sollte.
„Je mehr eine Frau arbeitet, desto mehr profitieren die Männer in ihrer Umgebung davon und desto weniger Anerkennung wird ihr selbst zuteil.“ (Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Seite 60)
Die Autorin
Leonie Schöler (geboren 1993) ist Historikerin, Journalistin und Moderatorin. Auf TikTok- und Instagram ist sie unter dem Namen @heeyleonie zu finden, wo sie Geschichtswissen vermittelt. Als Redakteurin und Filmemacherin ist sie bei diversen funk-Produktionen zu sehen, unter anderem »Jäger und Sammler«, das »Y-Kollektiv« und »Auf Klo«. Außerdem moderierte sie ab November 2022 das ZDFinfo-Format »Heureka« auf YouTube. Leonie Schöler lebt in Berlin. Beklaute Frauen ist ihr erstes Sachbuch und wurde zu einem SPIEGEL-Jahresbestseller sowie mit dem Bayern 2-Publikumspreis 2024 ausgezeichnet. Seit Anfang des Jahres ist sie außerdem Autorin der SPIEGEL-Kolumne »Hidden History«.

Inhalt
„Muse, Sekretärin, Ehefrau – es gibt viele Bezeichnungen für Frauen, deren Einfluss aus der Geschichte radiert wurde. Für deren Leistungen Männer die Auszeichnungen und den Beifall bekamen: Wissenschaftlerinnen, deren Errungenschaften, im Gegensatz zu denen ihrer männlichen Kollegen, nicht anerkannt wurden. Autorinnen, die sich hinter männlichen Pseudonymen versteckten. Oder Künstlerinnen, die im Schatten ihrer Ehemänner in Vergessenheit geraten sind. Lebendig und unterhaltsam erzählt die Historikerin Leonie Schöler ihre Geschichten, sie zeigt, wer die Frauen sind, die unsere Gesellschaft bis heute wirklich vorangebracht haben. Und sie verdeutlicht, wie wichtig die Diskussion um Teilhabe und Sichtbarkeit ist. Dabei wird klar: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält.“ (Produktbeschreibung)
Gedanken zum Sachbuch
Das Cover ist meiner Meinung nach absolut gelungen. Wir sehen hier das Porträt einer Frau. Durch die Farbgebung und die stilisierte Art werden hier ganz verschiedenen Frauentypen zusammengefasst. Jede Frau kann sich wohl in dieser Abbildung wiederfinden. Mit seinen kräftigen Rot- bis hin zu dunklen Lilafarbtönen ist es ein wahrer Hingucker und sticht aus der Masse an Büchern hervor. Autorin und Titel sind mit großen, weißen Lettern oben und unten schnell zu erfassen. Dazwischen in kleinerer, dezenterer Schrift steht der Untertitel: Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte. Spätestens hier weiß man, worum es in diesem Buch gehen wird.
Leonie Schöler hat einen leicht verständlichen und dennoch detailreichen Schreibstil. Man kann ihr jederzeit gut durch die verschiedenen Biografien folgen und durch ihre sachliche Argumentationsweise sollte sich auch niemand so schnell abgeurteilt fühlen. Und dennoch kam bei mir während des Lesens oft Frust im Bauch auf. Die Ungerechtigkeiten, die seit Jahrhunderten Frauen ertragen müssen, welche bis in die heutige Zeit hineinragen und die Tatsache, dass es nach wie vor zu viele Männer gibt, die sich von einer Frau bedroht fühlen, sorgten bei mir dafür, dass ich beim Lesen immer wieder mal eine Pause brauchte.
„Unbestreitbar war Lucia Moholy die Urheberin all dieser [Walter Gropius zugeschriebenen] Werke – doch Anerkennung wurde ihr dafür kaum zuteil. Als sie 1989 starb, resümierte DER SPIEGEL in einem Nachruf, sie habe als »bescheidene Dienerin zweier Herren« gelebt.“ (Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Seite 123)
Es ist erschreckend, zu sehen, wie viele männliche Berühmtheiten ihren Erfolg auf dem Diebstahl der Errungenschaften von weiblichen Personen aufbauten. Da wären zum Beispiel Walter Gropius, Immanuel Kant, Albert Einstein, Berthold Brecht oder Pablo Picasso, um nur ein paar bekannte Namen zu nennen. Durch die einzelnen Frauenschicksale wird überaus deutlich, wie Frauen jeher verbal klein gehalten und immer wieder beleidigt werden. Sie wurden außerdem oft als Dienerinnen oder Furien bezeichnet. Als wäre ihre untergeordnete Rolle frei gewählt und nicht durch äußere Umstände erzwungen und als hätten Frauen nicht das Recht, aufzubegehren.
„Betrat eine Frau den Saal, fingen die Studenten an zu pfeifen und auf den Boden zu stampfen; sie schlugen auf die Tische und grölten anzügliche Kommentare durch den Raum. So war es »Tradition« an der Universität Glasgow.“ (Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Seite 199)
Diese immer wiederkehrende strukturelle Diskriminierung sowie das misogynes Klima herrschen leider auch heute noch. Dieses Buch zeigt, wie unsere Geschichte aussieht, wie verzerrt sie im Grunde ist und wie widerlich und erbärmlich sich manche Männer gegenüber Frauen verhalten haben und noch immer verhalten. Bei manchen Aussagen einiger Männer wird einen regelrecht übel. Man liest schon äußerst gefrustet darüber, wie Frauen in allen Bereichen des Lebens immer wieder verdrängt werden oder in Schubladen gesteckt. Typisch Mann, typisch Frau. Natürlich ist es auch für den ein oder anderen Mann ein Problem mit der männlichen Sicht, aber sie konnten sich frei entscheiden, was sie tun möchten. Frauen nicht.
Und für alle, die jetzt vielleicht denken, dass sich die Autorin da einfach etwas aus den Fingern gesogen hat. Anhang, Literatur- und Quellenverzeichnis sowie Personenregister etc. umfassen stolze 85 Seiten bei einem Gesamtumfang von 416 Seiten! Das Buch ist demnach äußerst gut recherchiert und die Fakten belegt. Einen Buchtrailer findet ihr übrigens hier.
Fazit
Beklaute Frauen ist ein unheimlich gut recherchiertes Sachbuch, welches die systematische Unterdrückung von Frauen ganz klar vor Augen führt. Und da geht es nicht nur um Geschehnisse einer weit entfernten Vergangenheit. Nein, dieses Ungleichgewicht reicht bis in die heutige Zeit hinein. Frauen haben inzwischen zwar mehr Rechte, als es früher der Fall war, aber es ist noch ein langer und steiniger Weg zur absoluten Gleichberechtigung. Werke wie dieses sind daher umso wichtiger, denn hier wird mit falschen Darstellungen unserer Vergangenheit aufgeräumt und ungerechtes Verhalten sichtbar gemacht.
„Jede beklaute Frau ist kein Einzelfall, sondern Teil eines Systems, das uns alle betrifft und bis heute wirkt.“ (Leonie Schöler: Beklaute Frauen. Seite 319)
Leonie Schöler
Beklaute Frauen
416 Seiten
ISBN 978-3-328-60323-8
*Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.*