Rebecca Frayn: Deceptions. Simon and Schuster, London, 2010
Ein tragisch, spannender Familienroman
Rebecca Frayn ist Produzentin, Regisseurin, Drehbuch- und Romanautorin. Als Produzentin und Regisseurin arbeitete sie an diversen Dokumentationen. Ihr erster Roman heißt „One Life“ und erschien 2006. Bei dem vorliegenden Werk „Deceptions“ handelt es sich um ihr zweites Werk. Rebecca Frayn ließ sich bei diesem Werk von einer wahren Begebenheit inspirieren – nämlich von dem Jungen Nicholas Barcley, der 1994 im Alter von 12 Jahren verschwand und Frederic Bourdin, der seine Identität stahl und dafür 1998 verurteilt wurde.
Der Roman beginnt mit einer Einleitung des Erzählers Julian. Er erhält eine Geburtstagskarte von einer Frau, die er seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hat. Bei der Karte liegt ein Zeitungsausschnitt, der zunächst unkommentiert bleibt. Aufgrund der Karte kommen bei Julian alte Erinnerungen auf und er beginnt einen wichtigen Ausschnitt aus seinem Leben zu erzählen.
Julian ist mit einer Frau namens Annie zusammen, sie hat zwei Kinder, deren Vater vor einigen Jahren an Leukämie gestorben ist. Kurz nachdem Julian und Annie bekannt geben, dass sie heiraten wollen, verschwindet der 12-jährige Sohn Dan spurlos auf seinem Weg von der Schule nach Hause. Julian steht schnell unter Verdacht etwas mit dem Verschwinden des Jungen zu tun zu haben. Annie verfällt zunehmend in Depressionen. Immer wieder werden Rückblicke aus dem Leben der Patchwork-Familie vor dem Verschwinden Dans eingeschoben und Annie verfällt zunehmend dem Alkohol.
Nachdem Dan etwa drei Jahre verschwunden ist, ruft bei Annie ein Streetworker namens Luke Holland aus Schottland an. Er berichtet, dass er ihren Sohn gefunden habe und setzt ihn noch am selben Abend in den Zug nach London. Da Dan sich während der vergangenen drei Jahre sehr verändert hat, beginnt Julian zu zweifeln, ob es wirklich Dan ist, der da zurück gekehrt ist.
Die Sprache ist leicht verständlich. Lediglich die Akzente der Jugendlichen sind manchmal schwer zu verstehen. Ansonsten ist der Roman spannend, flüssig, anschaulich und leicht verständlich geschrieben. Es gibt einige sehr emotionale Szenen, welche sehr gut geschrieben sind. Die Aussichtslosigkeit und die Trauer der einzelnen Protagonisten werden nachvollziehbar und einfühlsam beschrieben. Die diversen Rückblicke runden die Erzählung ab und bringen eine gewisse Tiefe in die Handlung. Es handelt sich um einen tragischen Familienroman mit einigen spannenden Passagen. Nirgends ist ein Wort oder eine Passage überflüssig. Alles trägt unmittelbar zur Handlung oder deren Verständnis bei. Gerade der Beginn der Geschichte macht neugierig. Man möchte sofort wissen, was es mit dem Zeitungsartikel auf sich hat und kann den Roman kaum zur Seite legen. Die Folgen des Verschwindens und die Trauer werden anschaulich und nachvollziehbar beschrieben und sorgen beim Lesen für eine gewisse Beklemmung. Man ist hin und her gerissen, da man beide Seiten verstehen kann, die der Mutter, die ihren Sohn nicht aufgeben will und die des Erzählers, der seine Familie auseinanderbrechen sieht und machtlos der Sache gegenüber steht. Das Buch beschreibt, wie schnell eine intakte Familie durch den Verlust eines Mitglieds auseinander brechen kann und sorgt zusätzlich für Spannung, da auch dem Leser nicht verborgen bleibt, dass mit dem zurückgekehrten Dan etwas nicht stimmt. Alles in allem handelt es sich um einen sehr emotionalen aber gleichzeitig auch spannenden Roman.