Ronja von Rönne: Wir kommen. Aufbau Verlag, Berlin 2016
Ein Roman über die Gegenwart, über Chaos und psychische Instabilität.
Wir […] stritten über Zeug, das uns beschäftigt, weil uns sonst wenig beschäftigt. (Seite 24)
Wir kommen behandelt aktuelle Themen die wohl viele hier und da betreffen. Wo steht man im Leben? Wo will man hin? Ist man glücklich mit seinem Leben? Wie ändere ich etwas in meinem Leben, was mich unglücklich macht, aber doch mein Leben strukturiert? Es handelt sich um einen Roman mit wenig Handlung aber viel Innendarstellung. Die Meinungen der Leser werden wohl stark auseinanderdriften. Entweder man mag es, oder man mag es nicht.
Ronja von Rönne (1992 geboren) lebt in Berlin und Grassau. Sie arbeitet als Redakteurin im Feuilleton der Welt und bloggt auf ihrer Seite, dem Sudelheft. Der Roman Wir kommen ist ihr Debüt.
Nora ist die Hauptfigur von Wir kommen. Ihre Freundin Maja aus Kindheitstagen ist tot, doch das will und kann Nora nicht glauben. Da Nora nachts immer wieder Panikattacken hat, geht sie zum Therapeuten. Doch zu allem Unglück in ihrem Leben macht dieser nun Urlaub und rät ihr, ihre Gefühle in einem Tagebuch festzuhalten. Und genau diese Tagebucheinträge gestalten das Buch. Nora berichtet also über ihr Leben, welches keine besonderen Höhepunkte aufzuweisen scheint. Sie befindet sich mit Karl, Leonie und Jonas in einer Vierer-Beziehung, die keinen von ihnen glücklich zu machen scheint. Außerdem ist da noch Leonies Tochter, ein immerzu schweigendes Kind. Ihre Beziehung droht auseinander zu brechen und so beschließen sie, selbst eine Auszeit am Meer zu machen und flüchten regelrecht aus ihrem Alltag.
Zunächst einmal muss ich zugeben, dass bei der Durchsicht des Verlagsprogramms bei mir erst einmal kein Interesse an diesem Werk geweckt wurde. Erst durch einen erneuten Hinweis in Form des Blogger Newsletters wurde ich auf dieses Buch aufmerksam. Genau genommen hat das Thema Mutismus mein Interesse an dem Buch geweckt. Ich bin selbst Mutter eines zeitweise schweigenden Kindes und da hat mich das Thema gleich interessiert. Vielleicht bin ich deshalb mit einer falschen Hoffnung in dieses Buch gestartet. Denn das schweigende Kind ist eigentlich nur Beiwerk einer Geschichte um das völlig chaotische und aus den Fugen geratene Leben vierer Personen.
Wir seien vier Egoisten, die sich vor lauter Angst aneinanderklammerten, obwohl wir uns eigentlich hassten. Es gebe kein Konzept, und es habe nie eins gegeben, denn Angst-vor-allein-Sein sei kein Konzept, sondern feige. (Seite 182)
Die Melancholie in der Gruppe ist deutlich spürbar: „heute hatten wir alle gut performt, unsere Rollen gefunden, die schon Morgen wieder bröckeln würden“ (Seite 62). Nora ist zutiefst verzweifelt, sie kann und will ihr Leben nicht selbst bestimmen und so begibt sie sich immer wieder in die Abhängigkeit anderer. Zunächst in Majas, dann ins Karls. Außerdem flüchtet sie sich in Tagträume. Die Panikattacken in der Nacht scheinen auf ein tiefes Trauma hinzuweisen. Das Mädchen Emma-Lou, welches kaum spricht, scheint in Nora eine Stütze zu suchen. Doch Nora kann diese Stütze nicht sein, da sie selbst kurz vor dem Zusammenbruch steht. Merkwürdig ist hier die Position, die Nora einnimmt. Zum einen scheint sie zu spüren, dass der Mutismus des Mädchens krankhaft ist und empfindet Mitleid mir ihm, doch gleichzeitig ist sie nicht in der Lage ihre Meinung und ihre Gefühle darüber und über ihr eigenes Dasein zu äußern. Die Geschichte treibt vor sich hin. Die Protagonisten strampeln im seichten Gewässer „um zu retten, was schon kaputt schien“ (Seite 81) „und das letzte, was [Nora] wollte, war loslassen“ (Seite 68).
Am Ende der Erzählung werden einige offene Fragen aufgelöst. Was hat es mit Maja und ihrem Tod auf sich? Wer ist der Vater von Emma-Lou? Eigentlich ist der Höhepunkt der Erzählung der Schluss und man fragt sich, ob nach dem ständigen Chaos wirklich so leicht eine heile Welt entstehen kann.
Insgesamt war das Buch für mich eher mittelmäßig und ich konnte mich einfach nicht mitreißen lassen. Für mich ergab das Verhalten der Protagonisten keinen Sinn. Das Thema des mutistischen Kindes ist ein Beiwerk, das meines Erachtens zur Handlung nicht wirklich etwas beitrug. Auch, das Leonie keine Anstalten macht, ihrem Kind zu helfen, wirkt für mich unglaubwürdig. Mein Fazit, kann man lesen, muss man aber nicht. Schade, denn eigentlich ist die Geschichte dahinter wirklich vielversprechend.
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