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Ella Isabell Pen: Wahnsinnswut – Mias Märchen. Mini-Verlag Meisterburg, Klein Winterheim 2020

Ein Bericht über das selbstverletzende Verhalten eines jungen Mädchens.

Immer wieder finden Bücher den Weg zu mir, die eine schwere Hintergrundthematik haben. Bisher waren das oft Kinderbücher, nun erreichte mich aus dem Mini-Verlag Meisterburg ein Jugendbuch, welches sich mit der Thematik des selbstverletzenden Verhaltens (kurz: SVV) beschäftigt. In Wahnsinnswut – Mias Märchen beschreibt die Autorin Ella Isabell Pen, wie es dem Mädchen Mia ergeht, welches durch zahlreiche Probleme in ihrem Leben zur Klinge greift und beginnt sich zu ritzen.

Die Autorin

Ella Isabell Pen (geboren 1989) lebte die ersten Jahre ihrer Kindheit in Arizona, bevor sie 2002 mit ihrer Familie nach Deutschland auswanderte. Doch bereits nach dem Abitur zog sie in ihre alte Heimat zurück. Dort absolvierte sie ein Psychologiestudium und ist seither als Schulpsychologin in Kalifornien tätig. Wahnsinnswut ist ihr erster Roman.

© Mini-Verlag Meisterburg

Inhalt

„Ihre Wahnsinnswut hat Mia schon lange nicht mehr im Griff. Um sich von dieser zu befreien, schneidet sie sich ins eigene Fleisch, verletzt sich wieder und wieder. Doch was steckt wirklich hinter diesem Ritual? Mias Märchen geht dem nach, denn das Schneewittchen, eine Psychologin an der Uniklinik, stellt schonungslose Fragen und bringt hilfreiche Erkenntnisse ans Licht.
Ein literarischer Bericht über selbstverletzendes Verhalten, über Familie, Liebe und Empathie.“ (Klappentext)

Kritik und Fazit

Ich muss gestehen, wegen des Covers hätte ich vermutlich nie nach dem Buch gegriffen, wenn ich es in einer Buchhandlung gesehen hätte. Es ist allerdings passend düster und auch in blutigem Rot gestaltet, am Rande sieht man die Silhouette einer Frau mit geritztem Arm und einen Blutstropfen, der zu Boden fällt. Doch das, und somit die eigentliche Thematik fällt einem eben erst auf, wenn man genauer hinsieht. Auch die verschiedenen Schrifttypen, der plakative Titel und die verspielte Angabe der Autorin und des Untertitels passten für mich im ersten Moment nicht zusammen. All das macht im Nachhinein zwar Sinn, doch für mich als zunächst Nicht-Wissende lud es nicht unbedingt zum Lesen ein.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und gut verständlich. Als Leser bekommt man sofort einen Einblick in das selbstzerstörerische Denken der Hauptprotagonistin Mia. Der zumeist verwendete Schrifttyp hat einen großen Zeilendurchschuss, ist allgemein ungewöhnlich groß gewählt und auch der Zeilenabstand lässt einen eher an ein Erstleserbuch erinnern, als an ein Jugendbuch mit schwerer Thematik. So lenkten mich die verschiedenen Schrifttypen sowie die unterschiedlichen Schriftgrößen immer wieder ein wenig vom Text ab, da ich grübelte, wieso jetzt diese Passage in dieser Schrift und Größe gewählt wurde. Das Muster wurde mir irgendwann klar: Die wörtliche Rede wurde groß hervor gehoben, während der innere Monolog (oft die Antwort auf die Fragen der Psychologin) kleiner gehalten war. Sicherlich macht das Sinn und spiegelt auch die Seele der Protagonistin wieder, die sich selbst klein und unzulänglich vorkommt. Mich persönlich lenkte das aber zu sehr ab, denn auch ohne als das wird ganz deutlich, was Mia alles durchstehen muss. Auch in Anbetracht der aktuellen Umweltdebatte und Nachhaltigkeit im Verlagswesen, hätte ich mir einen normalen Schrifttyp und somit ein schlankeres Buch gewünscht.

Die Geschichte beginnt mit Mias selbstgewählter Einweisung in die Uniklinik und hangelt sich zumeist an den Therapiesitzungen mit Schneewittchen, der Psychologin, entlang. Wir erfahren, was Mia in ihrem Leben bereits durchmachen musste, wie die Ehe der Eltern zerbricht und der Konflikt auf Mias Schultern ausgeübt wird. Wie der Vater kein Interesse an ihr bekundet und die Mutter sie wie eine Freundin behandelt, der sie ihr Herz ausschütten kann, aber nicht als Tochter, die beschützt werden muss. Lange Zeit versteckt Mia ihr blutiges Ritual und die Mutter nimmt ihre Depressionen und die Probleme in der Schule nicht ernst. Ein Teufelskreis, dem Mia nicht entkommen kann, da sie keinen sicheren Hafen hat, einen Hafen an dem sie sich erholen und neue Kraft schöpfen müsste. Erst als sie Markus kennenlernt, er sich von ihr nicht abschütteln lässt, hat sie die Möglichkeit Frieden zu finden. Doch ihre Krankheit ist bereits zu weit fortgeschritten, zu einer Sucht geworden, die sie ohne fremde Hilfe nicht besiegen kann.

Die Erzählung ist definitiv nichts für sensible Gemüter. Besonders mich als Mutter einer Tochter hat die Geschichte wirklich sehr getroffen. Mia, die es sowohl in ihrer Familie, als auch in der Schule besonders schwer hat, dabei aber lange Zeit niemanden findet, der ihr zuhört oder ihr helfen kann. So wird die Geschichte, die stark an die Biografie der Autorin erinnert, mit einem Anti-Märchen verglichen und auch die auftretenden Figuren erhalten Pseudonyme wie „die Königin“, „der König“, „Schneewittchen“ oder „Rumpelstilzchen“. So distanziert sich Mia von ihrer eigenen Geschichte, um sie überhaupt erzählen zu können. Nur wenige Personen behalten ihren Namen. So zum Beispiel ihr Freund Markus, der sie lange Zeit zusammenhält, bis er selbst nicht mehr kann und ihr ein Ultimatum stellt. Aber auch der neue Freund der Mutter, der zunächst wieder für ein geordnetes und sicheres Leben sorgt, hat einen Namen. Bis auch diese Beziehung bröckelt und er zu König Richard wird. Auch mit ihrer Vergangenheit nur entfernt oder gar nicht daran beteiligte Menschen wie Bekannte der Familie oder Menschen aus der Klinik behalten ihre Namen. Somit weiß Mia eigentlich ganz genau einzuordnen, wer ihr in ihrem Leben nicht gut tut und sie dazu bringt sich selbst zu hassen und immer wieder an sich zu zweifeln.

Wahnsinnswut ist ein zutiefst bewegender Bericht eines Mädchens, welches unter ihrem selbstverletzenden Verhalten leidet und einen Weg in ein normales Leben sucht. Insgesamt finden sich drei Trigger-Warnungen im Text, um Menschen mit Depressionen, SVV oder Suizidgedanken zu warnen. Immer wieder wird auch darauf hingewiesen, dass die detailreiche Beschreibung des SVV nicht dazu dient, etwas zu beschönigen, sondern um dem Leser deutlich zu machen, was in jenen Menschen vor sich geht, die sich selbst verletzen. Wieso sie dies machen und was zu solch einem Verhalten führen kann, beschreibt Ella Isabell Pen einfühlsam und vor allem anschaulich. Das Buch richtet sich an Betroffene, deren Eltern oder Bekannte, wie auch an Fachmenschen.

Ella Isabell Pen
Wahnsinnswut – Mias Märchen
280 Seiten
ISBN 978-3-9820-8136-6

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