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Gabriele Kloes & Jutta von der Lühe: Es wird gut, kleine Maus. Mabuse Verlag, Frankfurt am Main 2016

Wenn Kinder ihre Worte verlieren.

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Seitdem meine Tochter in der Kita verstummt ist, habe ich mich verstärkt mit dem Thema Mutismus auseinander gesetzt.  Da dieses Thema auch vor dem mutistischen Kind nicht einfach verschwiegen werden darf, habe ich auch nach Kinderbüchern mit dem Thema Mutismus gesucht. Dieses schön illustrierte Werk hat meine Schwester durch einen Aushang in der Kita entdeckt und mich darauf aufmerksam gemacht. Es handelt sich um ein sehr schön illustriertes Buch, welches eine bildhafte Sprache hat.

Zunächst einmal ist es aber wichtig, kurz zu erläutern, worum es bei der Erkrankung „Mutismus“ überhaupt geht. Es handelt sich beim Mutismus um eine Kommunikationsstörung. Kinder und auch Erwachsene, die organisch völlig gesund und auch fähig sind, zu sprechen, verstummen in bestimmten Situationen oder in Gegenwart bestimmter Menschen. Man kann zwischen verschiedenen Formen des Mutismus unterscheiden: dem elektiven (oder selektiven) Mutismus, welcher in bestimmten Situationen auftritt, dem totalen Mutismus und dem akinetischen Mutismus, welcher neurologisch bedingt ist.

Das vorliegende Werk Es wird gut kleine Maus behandelt das Thema Mutismus ausgelöst durch eine Verlusterfahrung. Die Problematik wird aus der Sicht eines Kindes beschrieben, welches vor kurzem seine Mutter verloren hat. Das Kind, welches weder Name noch Geschlecht hat, erzählt von seinem Leben ohne Mutter. Es beschreibt, dass der Vater sich auf einmal so anders verhält, dass die eigenen Gedanken durcheinander geraten sind und kein Laut mehr über die Lippen kommt. Erst die kindliche Neugier bringt die Sprache wieder zurück und führt auch Vater und Kind wieder zueinander.

Zunächst einmal kann ich sagen, dass das Buch meiner Tochter gefallen hat. Einige Tage wurde es immer wieder hervor geholt und gelesen. Das Interesse flachte dann aber doch recht schnell ab, was vielleicht an dem geringen Text im Buch lag. Sie ist inzwischen 5 Jahre alt und wir lesen gemeinsam schon eher Kinderromane.
Die Bilder sind wirklich sehr liebevoll und mit Foto-Collagen gestaltet, wirken aber auch etwas düster. Diese Düsternis unterstützt den Hintergrund der Geschichte, nämlich den Tod der Mutter. Zu abstrakt war mir aber die Beschreibung, dass „das Wort mit den drei Buchstaben […] den anderen Wörtern den Weg aus meinem Mund [versperrt]“ (Seite 4). Damit konnte meine Tochter zunächst nichts anfangen. Allerdings ist diese Phänomen, dass etwas den Weg aus dem Mund versperrt, nicht weit her geholt. Eine ähnliche Beschreibung diesbezüglich hatte mir meine Tochter auch geschildert, als ich sie fragte, wieso sie in der Kita nicht sprechen kann.
Aber Kinder, die noch nicht schreiben und lesen können, werden diese Beschreibung des Wortes mit den drei Buchstaben nicht verstehen und somit auch einen wichtigen Teil des Buches vielleicht nicht nachempfinden können.

Warum genau der Vater sich anders als sonst verhält wird leider auch nicht in der Geschichte aufgeklärt. Dass er selbst mit dem Verlust seiner Frau fertig werden muss und deshalb sehr traurig und manchmal auch vergesslich ist. Außerdem wird die Spitzmaus im Text mit einem grauen Kopf beschrieben, in der Foto-Collage ist sie aber blau. Das fiel meiner Tochter auch sofort auf und riss sie leider etwas aus der Geschichte heraus.

Wir schauen hinauf zu den Sternen und Schweigen. (Seite 34)

Die bunten Bilder, die wie bereits erwähnt auch etwas düsteres an sich haben, werden mit einer reduzierten Sprache verbunden. Es handelt sich also um ein Buch, für welches man sich Zeit nehmen sollte. Mit einem einfachen Vorlesen ist es hier nicht getan. Man muss sich gemeinsam mit dem Kind näher mit der Geschichte auseinandersetzen.
Der Schluss gefiel mir besonders gut. Die Sprache kommt wieder, aber auch Schweigen ist in Ordnung und in gewissen Momenten wichtig und heilend.

Als Elternteil eines mutistischen Kindes muss ich allerdings darauf hinweisen, dass das Buch vielleicht eine zu plötzliche Heilung suggeriert. Dies ist in der Realität leider nicht der Regelfall, denn eigentlich ist es ein langer und schwieriger Weg, oftmals auch mit Rückschritten, den die Eltern mit ihrem Kind gehen müssen, um die Sprache des Kindes wieder zu finden.

Mir fliegen die Worte aus dem Mund. (Seite 29)

Alles in allem handelt es sich um ein liebevoll gestaltetes Buch für Kinder, die an Mutismus leiden, aber auch für Kinder, die mit dem Thema Mutismus in Kontakt kommen, beispielsweise, weil sie ein betroffenes Kind kennen. Die Geschichte veranschaulicht die Problematik recht gut, hat aber auch ihre Defizite, die durch den vorlesenden Erwachsenen kompensiert werden sollten.

Gabriele Kloes & Jutta von der Lühe: Es wird gut kleine Maus. Mabuse Verlag, Frankfurt am Main 2016

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