Jostein Gaarder: Ein treuer Freund. Carl Hanser Verlag, München 2017
Als Jostein Gaarder Fan war ich ziemlich enttäuscht
Mit Sofies Welt fing bei mir alles an. Ich wurde Fan von Jostein Gaarder und habe wohl so ziemlich alle seiner Bücher gelesen. Da freute ich mich, als ich von Ein treuer Freund erfuhr und es an meinem Geburtstag geschenkt bekam. Leider enttäuschte mich das Buch recht schnell, die Handlung kam nur schleppend in Gang und die Wendung in der Geschichte überraschte mich und weckte bei mir ein eher befremdliches Gefühl.
Jostein Gaarder (geboren 1952 in Oslo) studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften. Nachdem er zunächst als Lehrer tätig war, konzentriert er sich inzwischen ganz auf das Schreiben. 1993 erschien Sophies Welt in deutscher Sprache. Sein Debüt wurde sofort zum Weltbestseller und seine darauf folgenden Romane wie Der Geschichtenverkäufer, Das Orangenmädchen oder Die Frau mit dem roten Tuch waren ebenfalls sehr erfolgreich. Gaarders Werke haben einen philosophischen Hintergrund und richten sich oft auch an Kinder und Jugendliche.
In Ein treuer Freund erzählt Jostein Gaarder die Geschichte eines Außenseiters, der seinen Weg im Leben sucht. Jakob Jacobson heißt er. Er ist schüchtern und hat nur wenige Kontakte. Bis auf seinen Freund Pelle, der ihn bereits seit der Kindheit begleitet, lebt er eher einsam. Er war zwar verheiratet, doch die Ehe hielt nicht und so kommt es, dass Jakob fremde Beerdigungen besucht und damit versucht Anschluss zu finden. Als er Agnes kennenlernt, ist er sofort fasziniert und verliebt. Sie ist es, welche er seine Geschichte in einem Brief erzählt.
Wie bereits zu Beginn erwähnt, fiel mit der Einstieg in das Buch etwas schwer. Die Geschichte wirkte eher langatmig und ermüdend und wäre es nicht Jostein Gaarder, hätte ich das Buch vielleicht sogar zur Seite gelegt.
Bei wem es sich um Pelle dann genau handelt, überraschte mich und ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich vielleicht doch etwas falsch verstanden habe. Damit habe ich absolut nicht gerechnet und der Gedanke daran befremdete mich schon sehr.
Die sprachwissenschaftlichen und etymologischen Ausflüge hingehend interessierten mich als Geisteswissenschaftlerin sehr und ich las sie mit Spannung. Da waren die Herkünfte der Vor- und Nachnamen (bei denen auch Gaarder – Seite 182 – und Jostein – Seite 194- nicht fehlten) erfrischend und interessant.
„Und warum bin ich dermaßen besessen von sprachlichen Verwandtschaftsbeziehungen? Die Antwort ist fast peinlich einfach: Ich selbst habe im Grunde keine Verwandtschaft vorzuweisen. Ich habe keine andere Großfamilie, mit der ich mich auseinandersetzen könnte, als die indogermanische Sprachfamilie.“ (Seite 183)
Jakob, der Hauptprotagonist des Werkes, ist ein einsamer Mensch, der nie eine richtige Familie hatte und somit auf den Beerdigungen fremder Menschen versucht, Kontakte zu knüpfen und ein Stück weit dazu gehören zu können. Das stimmt den Leser doch sehr traurig und nachdenklich. Jakob lebt in seinen eigenen erfundenen Geschichten, nimmt an dem tatsächlichen Leben dabei nicht mehr Teil. Ob er sich am Ende wirklich selbst gefunden hat, kann ich nicht sagen. Das Ende lässt einen eher traurig zurück.
Ein treuer Freund ist in gewissem Sinne schon ein typischer Gaarder Roman, jedoch überzeugt er nicht mal ansatzweise, wie seine bisher erschienenen Romane. Die Idee der Geschichte ist prinzipiell wirklich gut, was daraus aber gemacht wurde, erreichte mich leider nicht wirklich.
Jostein Gaarder
Ein treuer Freund
272 Seiten
ISBN 978-3-446-25443-5