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Paula Steingäßer: Und was ist mit unserer Zukunft? – Aufwachsen mit der Klimakrise. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2024

Autobiografischer als ich es erwartet habe

Auf das Buch Und was ist mit unserer Zukunft? von Paula Steingäßer bin ich in der Buchhandlung Ocelot aufmerksam geworden. Dort gibt es eine wohl überlegte Auswahl an Büchern, fernab des Mainstreams, den man in den meisten Buchhandlungsketten immer wieder erneut präsentiert bekommt. Hier gibt es einige außergewöhnliche Bücher, oft auch von kleineren Verlagen zu entdecken. Da mich die Klimakrise sehr beschäftigt und ich Mutter einer Teenager Tochter bin, wurde ich natürlich neugierig auf dieses Buch. Erwartet hab ich eine wissenschaftliche Abhandlung mit autobiografischen Einschüben, bekommen habe ich die berührende Lebensgeschichte einer jungen Frau, die mit all den Krisen unserer Welt aufwuchs.

„Ich bin jetzt vierzehn. Und die Welt stirbt. Aber niemand scheint es zu bemerken.“ (Paula Steingäßer: Und was ist mit unserer Zukunft? Seite 39)

Die Autorin

Paula Steingäßer (geboren 2000) ist Studentin der Geschichte und Philosophie in Freiburg im Breisgau. Durch die journalistische Tätigkeit ihrer Eltern reiste sie bereits als Kind um die Welt. Die Eltern leisteten dabei Aufklärungsarbeit über die Folgen der Klimakrise. Neben ihrem Studium absolvierte Paula Steingäßer außerdem Fortbildungen im Bereich der Permakultur. 2022 erschien ihr Text »Eine kurze Anleitung fürs Aufgeben« im FUTURZWEI-Anti-Frust-Buch Zu spät für Pessimismus.

© S. Fischer Verlage

Inhalt

„In einer Gesellschaft, in der die Klimakrise die Zukunft bedroht, scheint die Orientierungslosigkeit unüberwindbar zu werden. Umso wichtiger ist es, sich auch mit den ganz persönlich wahrnehmbaren Umständen der psychischen Folgen der Klimakrise auseinanderzusetzen, mit den Ängsten und Gefühlen, die sie auslösen kann. Paula Steingäßer erzählt, was es bedeutet, in einer Welt aufzuwachsen, in der das Eis schmilzt, Menschen ihr Zuhause verlieren und es unmöglich wirkt, etwas verändern zu können. Ein nachdenkliches und bewegendes Gesprächsangebot, das zeigt, wie es trotz allem gelingen kann, die eigene Stimme zu finden. Das zeigt, dass wir nicht allein sind.“ (Klappentext)

Gedanken zum autobiografischen Sachbuch

Das Cover zeigt eine junge Frau mit geschlossenen Augen. Sie lächelt und lässt sich die Haut von der Sonne wärmen. Es ist ein friedliches Bild, aufgenommen irgendwo in der Natur. Der Titel ist über die gesamte Fläche mit großen, gelben Lettern abgedruckt, ergänzt dazwischen vom Name der Autorin und dem Untertitel.

Zu Beginn nimmt uns die Autorin direkt mit nach Grönland ins tiefe Eis. Sie schildert ihren längeren Aufenthalt dort und wir erfahren einiges zu Land und Leuten, dem Miteinander und dem Umgang mit Lebewesen. Es ist ziemlich bedrückend, denn dort sind die Kinder zwar tagsüber fröhlich und frei, doch ein gewaltfreies, inniges Familienleben findet dort nicht statt. Trostlosigkeit, Mutlosigkeit und Selbstaufgabe sind allgegenwärtig. Ich habe bei diesem Buch zwar ein paar autobiografische Elemente erwartet, aber nicht dass es im Gesamten mehr einer Autobiografie als einem Sachbuch entspricht. Gewünscht hätte ich mit allgemeinere, wissenschaftlich gebündelte Begebenheiten einer ganzen Generation.

„Effizienz bedeutet nicht, dass ich maximalen Ertrag erhalte. Sondern dass ich so wenig Energie und Ressourcen wie möglich in ein System stecken muss, um es zu erhalten und davon leben zu können.“ Paula Steingäßer: Und was ist mit unserer Zukunft? Seite 123)

Dieses Buch erzählt also die Geschichte einer jungen Frau, die durch die Krisen unserer Welt mehr und mehr in Depression und Magersucht versinkt. Ein großer Teil des Buches beschreibt die Erfahrung mit ihrer Magersucht – ihr Mittel der Zurückgewinnung von Kontrolle – und wie sie um ihr Überleben kämpft.

Paula Steingäßers ganz eigenen Erfahrungen sind teilweise sehr knapp beschrieben. Ihr Leben bei den Inuits, sie als Aktivistin, dann als Pferdemädchen, schließlich als Magersüchtige mit Depression. Wir haben es hier mit einem Lebensbericht zu tun, in welchem aber auch beispielsweise das eigene Körperempfinden, das Bild der Frau in der Gesellschaft, Erwachsen werden und die eigene Wahrnehmung beleuchtet werden.

„Wenn viele unterschiedliche Stimmen zusammenkommen, wenn sie sich ergänzen, inspirieren und reflektieren, dann ist das Zukunftsmusik.“ (Paula Steingäßer: Und was ist mit unserer Zukunft? Seite 153)

Fast ein Drittel des Buches (zwei große Kapitel) thematisiert also die Magersucht der Autorin. Das ist natürlich ein wichtiges Thema, hat aber eigentlich nicht direkt etwas mit der Klimakrise zu tun. Im Fall der Autorin gibt es zwar eine Verbindung, aber es bleibt unklar ob es anderen jungen Menschen genauso ergeht. Die beiden Kapitel sind außerdem leicht wiederholend: die Autorin geht in die Klinik, lernt, verlässt die Klinik. Im nächsten Kapitel wird dies erneut unter einem leicht veränderten Blickwinkel aufgerollt.

Fazit

Und was ist mit unserer Zukunft? war ganz anders, als ich es erwartet habe. Im Zentrum stehen keine wissenschaftlichen Forschungen zum Thema „Aufwachsen mit der Klimakrise“, vielmehr wird hier der Erfahrungsbericht einer einzelnen Frau eindrücklich geschildert. Auch wenn ich mit einer ganz anderen Art von Text gerechnet habe, empfand ich die Lektüre als sehr aufschlussreich und berührend. Die Themen Weiblichkeit, Strukturelle Ungerechtigkeit, Umgang mit Krisen sind allgegenwärtig und beschäftigen nicht nur die Jugendlichen der heutigen Zeit. Sie prägen uns alle seit Jahrzehnten.

Paula Steingäßer
Und was ist mit unserer Zukunft? – Aufwachsen mit der Klimakrise
160 Seiten
ISBN 978-3-10-397640-3

*Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.*

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