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Zoran Drvenkar: Du. Ullstein Taschenbuch, Berlin 2012

Ein fulminanter Psychothriller für Leser mit starken Nerven

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Wieder einmal stelle ich euch einen Roman mit besonderer Erzählperspektive vor. Wie auch bei Des Tauchers leere Kleider von Vendela Vida wird im Roman Du von Zoran Drvenkar diese besondere Perspektive der zweiten Person „Du“ gewählt. Im Vergleich zu Vendela Vida, die den Individualitätsverlust der Protagonistin damit unterstützt, dient in dem vorliegenden Werk diese Perspektive dazu, den Leser ganz dicht an die Protagonisten zu führen, die Geschichte also aus Sicht der verschiedenen Charaktere zu erzählen. Die zahlreichen Protagonisten wechseln sich mit ihren Schilderungen ab und schnell stellt sich der Leser die Frage: Wer ist diese allwissende Personen, die in alle Köpfe, sogar in die der Toten, hineinschauen kann? Denn hin und wieder macht es den Anschein, als würde diese allwissende Person die Protagonisten direkt ansprechen. Er kennt ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und auch ihre Zukunft.

Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren. Mit drei Jahren kam er nach Deutschland und wuchs in Berlin auf. Er arbeitet als freier Schriftsteller und publiziert neben seinen Romanen auch Kinder- und Jugendbücher. Seine beiden Thriller Du bist zu schnell (2003) und Sorry (2009) sollen verfilmt werden.

Der Einstieg in die Geschichte fällt zunächst aufgrund der zahlreichen Charaktere etwas schwer. Mehr als zehn Protagonisten treten abwechselnd Kapitel für Kapitel auf die Bühne und erzählen ein Fragment der Geschichte aus ihrer Sicht. Der dynamische Fortlauf der Handlung reißt einen aber dennoch mit. Das Tempo erhöht sich vorlaufend, selbst wenn man als Leser denkt, schneller und drastischer kann es nicht werden. Doch! Das geht! Zoran Drvenkar schreckt vor keiner Brutalität zurück, er lässt seine Protagonisten ungehindert morden und ins Verderben laufen.

Zunächst einmal aber zur Handlung. Da gibt es den Reisenden, der immer wieder einmal auftaucht und eine große Anzahl an toten Menschen hinter sich lässt. Da er nicht gefasst werden kann ist er ein regelrechter Mythos, von dem jeder weiß, aber keiner ahnt, dass er ihm bald begegnen wird. Dann sind da fünf Freundinnen, die aufgrund eines Heroinfundes auf der Flucht sind. Sie werden von einem Mann gejagt, der „Der Logist“ genannt wird. Alle Protagonisten scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, aber dennoch rauschen sie in voller Fahrt aufeinander zu. Ihr Weg ist gepflastert mit Brutalität und Tod. Teilweise fand ich aber gerade diese Brutalität fragwürdig. Kann ein Vater den Freund seines Kindes töten? Auch die wirklich turbulente Handlung ist zum Teil etwas unglaubwürdig. Fünf junge Mädchen, die vor einem brutalen Drogenliferanten fliehen und dabei greift kein einziges Mal die Polizei wirklich in diese Verfolgung ein, obwohl es zu Todesfällen kommt? Das Cover macht die Düsternis dieser Erzählung sehr deutlich und alles scheint von einem Mann abzuhängen: dem Reisenden. Doch wie passt er in die Geschichte hinein?

Zoran Drvenkar erzählt in gnadenloser Grausamkeit die Geschichte. Kalt und hart lässt er einen Teil seiner Protagonisten erscheinen, während die anderen, die es bisher nicht waren selbst diesen Weg einschlagen. Der Autor hat einen fast poetischen Erzählstil, der in jeder Minute der Geschichte passt. Durch die Du-Perspektive werden die Taten aller Protagonisten irgend wie nachvollziehbar und verständlich. Mal empfindet der Leser Mitleid oder Verständnis, ein anderes Mal wird er aber voller Abscheu die Taten und Gefühle des Protagonisten verfolgen.

Du ist kein Buch für Leser mit schwachen Nerven. Es ist ein Psychothriller mit besonderem Perspektivwechsel. Drvenkar bietet keinen leichten Einstieg in seine Geschichte, aber die zig verschiedenen Handlungsstänge und Charaktere fügen sich Stück für Stück zu einem großen Ganzen zusammen. Wenn man sich darauf einlässt, wird man nicht enttäuscht werden. Auch wenn hier und da die Erzählung zu dramatisch und unglaubwürdig erscheint, so wird man spätestens mit dem fulminanten Schluss der Geschichte entschädigt.

Zoran Drvenkar: Du. Ullstein Taschenbuch, Berlin 2012

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